
23.03.25 ● Auch in Overath gibt es Menschen, die von relativer Armut betroffen oder bedroht sind. Das bedeutet, dass ihr Leben beispielsweise durch Hunger nicht unmittelbar in Gefahr ist. Dennoch leben sie im Vergleich zur übrigen Bevölkerung mit erheblichen Einschränkungen und kommen meist nur durch großen Verzicht über die Runden. Hier setzt die Overather Tafel an.
Wir sorgen dafür, dass Menschen mit frischem Obst und Gemüse, mit Fleisch, Wurstwaren und Milchprodukten versorgt werden. Zum einen ist damit eine gesunde, ausgewogene Ernährung sichergestellt, zum anderen können unsere Kunden mit dem Tafeleinkauf Geld sparen, das sie an anderer Stelle einsetzen können.
Aber wer ist denn nun arm, was bedeutet Armut heute in Deutschland? In Deutschland galten im vergangenen Jahr laut dem Statistischen Bundesamt rund 13,1 Millionen Menschen (15,5 Prozent) als armutsgefährdet. Das ist im Vergleich zu 2023 ein Anstieg um etwas mehr als ein Prozentpunkt. Damals lag diese Quote bei 14,4 Prozent (12,1 Millionen Menschen). Ein Mensch gilt als armutsgefährdet, wenn er über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt. 2024 lag dieser Schwellenwert für einen Alleinlebenden in Deutschland bei 1.378 Euro netto im Monat, für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren betrug er 2.893 Euro.
Eine weitere Zahl, die durch das Statistische Bundesamt in Wiesbaden bekannt gegeben wurde, ist die der „von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten“ Menschen. Diese Kategorie ist weiter gefasst als die zur reinen Armutsgefährdung. 2024 galt danach rund ein Fünftel der Bevölkerung als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das sind rund 17,6 Millionen Menschen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte, oder 20,9 Prozent der Bevölkerung. Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, als rund 17,9 Millionen Menschen (21,3 Prozent) von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren.
Was aber besonders schlimm ist – dass Kinderarmut in einem reichen Land wie Deutschland immer noch ein Thema ist. Rund ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Laut den Daten besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Armutsgefährdung bei Kindern und Jugendlichen und dem Bildungsstand der Eltern. Die Armutsgefährdungsquote von unter 18-Jährigen, deren Eltern über einen niedrigen Bildungsabschluss wie etwa einen Haupt- oder Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss verfügten, lag danach 2022 in Deutschland bei 37,6 Prozent. Unter Kindern und Jugendlichen von Eltern mit einem mittleren Bildungsabschluss seien 14,5 Prozent armutsgefährdet gewesen. Dazu zählen eine abgeschlossene Berufsausbildung und das Abitur. Hatten die Eltern einen höheren Bildungsabschluss wie etwa einen Meistertitel oder ein abgeschlossenes Studium als höchsten Abschluss, waren nur 6,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Armut bedroht.
Im EU-weiten Vergleich gehört Deutschland zu den Ländern mit einer höheren Gefährdung von Kindern und Jugendlichen. Mit 24 Prozent sind hierzulande nur knapp weniger als ein Viertel junger Menschen von Armut und/oder sozialer Ausgrenzung bedroht als im Durchschnitt der EU-Mitgliedsländer (24,8 Prozent). Deutschland belegt dabei den 20 Rang von 28 Ländern.
Sozial benachteiligten Schulkindern geht es einer Studie zufolge nach dem Ende der Corona-Pandemie hierzulande deutlich schlechter als Gleichaltrigen aus gut gestellten Familien. Zu diesem Ergebnis kommt der im Juli 2023 vorgestellte sogenannte Präventionsradar der Krankenkasse DAK Gesundheit, für den rund 15.000 Schulkinder befragt wurden. Demnach ist die Hälfte der Jungen und Mädchen mit niedrigem Sozialstatus einsam. Bei den nicht benachteiligten Schulkindern sind es hingegen nur 28 Prozent.
44 Prozent der Schüler aus Familien mit niedrigem Sozialstatus zeigen zudem vermehrt depressive Symptome. Unter denjenigen mit einem hohen Sozialstatus sind es mit 26 Prozent deutlich weniger. Fast die Hälfte der benachteiligten Kinder leidet laut Studie mindestens einmal pro Woche unter Schlafstörungen, bei den nicht benachteiligten Kindern sind es hingegen 33 Prozent.
Auch bei körperlichen Beschwerden schneiden Schulkinder mit niedrigem Sozialstatus schlechter ab. 38 Prozent von ihnen haben mindestens einmal pro Woche eine oder mehrere Arten von Schmerzen, bei gut situierten Kindern sind es 21 Prozent. Insgesamt zeigen 67 Prozent der benachteiligten Kinder ein vermindertes Wohlbefinden. Bei jenen mit hohem Sozialstatus sind es nur 41 Prozent.
Menschen, die keine Arbeit finden oder nicht genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie zu bestreiten, erhalten Bürgergeld. Ein Begriff, um den es in den vergangenen Monaten immer wieder politischen Streit gab. Ein alleinstehender Erwachsener erhält derzeit 563 Euro im Monat. Aktuell gibt es 5,4 Millionen Bürgergeldbezieher. Das klingt nach einer großen Zahl. Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen gerade offene Stellen nicht besetzen können.
64 Prozent der Deutschen denken, dass es Menschen gibt, die wegen des Bürgergelds nicht mehr arbeiten gehen wollen. Die Caritas schreibt hingegen, es seien oft Menschen, die Schicksalsschläge erlitten hätten. Aber was weiß man wirklich über die Menschen, die von der staatlichen Grundsicherung leben? Warum finden sie keine Arbeit? Weil sie nicht wollen oder weil sie nicht können? Für fast ein Drittel aller Bürgergeldempfänger (rund 1,5 Millionen Menschen) lässt sich der Sachverhalt leicht klären: Sie können beziehungsweise dürfen überhaupt nicht arbeiten. Zum Beispiel, weil sie zu jung sind. Jeder vierte Bürgergeldempfänger ist ein Kind.
Damit bleiben 3,9 Millionen sogenannte erwerbsfähige Leistungsbezieher übrig (darunter 480.000 Ukrainer und 596.000 Menschen aus Syrien, Afghanistan und den anderen wichtigen Asylherkunftsländern). Als „erwerbsfähig“ gilt man bereits, wenn man gesundheitlich dazu fähig wäre, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten. Wie viele Erwerbsfähige auch in Vollzeit arbeiten könnten, weiß die Bundesagentur für Arbeit nicht.
Von den 3,9 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldempfängern stehen 2,2 Millionen „dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung“, so die Statistiker der Bundesagentur für Arbeit. Diese 2,2 Millionen Menschen gehen zum Beispiel zur Schule, sie absolvieren ein Studium, pflegen Angehörige oder kümmern sich um kleine Kinder (689.000 Personen). So ist es zum Beispiel möglich, während der Elternzeit ergänzend Bürgergeld zu beziehen, wenn das Elterngeld nicht zum Leben reicht. Andere nehmen an einer staatlichen Fördermaßnahme teil (500.000). Oder sie gehen bereits einer Beschäftigung nach, verdienen aber nicht genug, um ohne zusätzliche Hilfe klarzukommen (781.000). Die Gruppe der arbeitenden Bürgergeldempfänger, die ihr Einkommen um staatliche Unterstützung aufstocken, kann man weiter aufteilen: 41.000 machen eine Ausbildung, 265.000 haben einen Minijob, 65.000 sind selbstständig.
Damit ergibt sich eine Restgröße von 1,7 Millionen arbeitsloser, erwerbsfähiger Bürgergeldempfänger. Das ist die in den aktuellen Debatten eigentlich erklärungsbedürftige Zahl, denn diese Menschen könnten arbeiten gehen, tun es aber nicht. 56 Prozent davon sind Deutsche, 44 Prozent Ausländer.
Die 1,7 Millionen erwerbsfähigen, aber arbeitslosen Bürgergeldempfänger würden sich finanziell besserstellen, wenn sie arbeiten würden. Eine Studie des Münchner Ifo-Instituts hat ergeben: Wer arbeitet und alle verfügbaren Sozialleistungen in Anspruch nimmt, also zum Beispiel Wohngeld und Kinderzuschlag, hat in jedem Fall mehr Geld zur Verfügung als jemand, der nicht arbeitet und nur Sozialleistungen bekommt. Ein alleinstehender Bürgergeldempfänger beispielsweise hat nach Abzug der vom Staat übernommenen Kosten für Wohnung und Heizung monatlich 563 Euro zur Verfügung. Schon bei einem Bruttoverdienst von nur 1.000 Euro im Monat bleiben nach Abzug aller Steuern und Sozialabgaben bei einem mittleren Mietniveau 891 Euro übrig – wenn alle staatlichen Leistungen für Geringverdiener wie etwa das Wohngeld berücksichtigt werden. Das sind 328 Euro oder fast 60 Prozent mehr.
Ein Job in Teilzeit bedeutet oft nur einen geringen Zuverdienst zum Bürgergeld. Und wer eine Stelle antritt, muss womöglich eine Kinderbetreuung organisieren. Frauen sind im Schnitt länger von staatlicher Unterstützung abhängig als Männer mit gleichen Qualifikationen. Ein ähnlicher Effekt zeigt sich bei Paaren mit Kindern im Vergleich zu Paaren ohne Kinder. Laut Bertelsmann-Stiftung fehlen in Deutschland etwa 400.000 Kitaplätze. Es gibt noch andere mögliche Hürden für die Arbeitsaufnahme: Man muss sich ein Auto anschaffen oder hofft auf eine bessere Stelle. Andererseits steigt durch einen Job möglicherweise die allgemeine Lebenszufriedenheit, weil Arbeit eine Form der sozialen Teilhabe ist.
Diese zusätzlichen Kosten und Nutzen müssen ebenfalls gegeneinander abgewogen werden. Sie sind statistisch schwer zu erfassen, da es teils um immaterielle Werte geht. Man kann also nicht einfach ausrechnen, warum die 1,7 Millionen arbeitslosen Bürgergeldbezieher keinen Job annehmen. Man kann aber Vermutungen anstellen. So fällt auf, dass zwei Drittel der Arbeitslosen in der Grundsicherung keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Und obwohl viele Betriebe über Personalmangel klagen, ist es ohne ausreichende Qualifikation oft schwierig, eine Stelle zu finden. Nur 23 Prozent aller offenen Stellen in Deutschland sind laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für Bewerber ohne Abschluss geeignet.
Hinzu kommt, dass nicht alle offenen Stellen dort sind, wo die Arbeitslosen leben. Es passiert selten, dass Menschen wegen eines Niedriglohnjobs ihren Wohnort wechseln. Gerade in deutschen Großstädten sind zudem die Mieten derart hoch, dass das Mehreinkommen trotz Wohngeld von den Lebenshaltungskosten wieder „aufgefressen“ wird. Krankenkassen weisen zudem darauf hin, dass etliche der Langzeitarbeitslosen, die von Bürgergeld leben, zwar formal einen Job annehmen könnten, wegen „multipler sozialer Problemlagen“ aber dazu nicht in der Lage seien. Dabei gehe es etwa um Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen. Wie groß diese Gruppe ist, lässt sich schwer sagen. Die Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg hat Daten ihrer Versicherten ausgewertet. Dabei kam heraus, dass Bürgergeldempfänger doppelt so häufig wie arbeitende Versicherte an einer Depression oder einer Lungenkrankheit leiden. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitslose Diabetes oder eine Herzkrankheit haben, ist erhöht.