„Arme sind vom Leben abgekoppelt“

Kölner Stadt-Anzeiger, 22.02.2015

Armutsbericht 2013 für Rhein-Berg

Gerhard Marzinkowski ist Geschäftsführer der Paritätischen Kreisgruppe Rhein-Berg. Auch in Rheinisch-Bergischen Kreis leiden immer mehr Menschen an der Armut. Matthias Niewels sprach mit ihm über den aktuellen Armutsbericht.

Herr Marzinkowski, Ihr Dachverband hat den Armutsbericht 2013 vorgelegt. Bundesweit leben immer mehr Menschen in Armut. Ein Trend, der auch für Rhein-Berg gilt?

Ja, die Tendenz gibt es auch bei uns. Allerdings sind die Zahlen nicht ganz so erschreckend wie in anderen Teilen der Republik.

Zum Beispiel?

In Rhein-Berg sind 11,2 Prozent der Jugendlichen und Kinder von Armut bedroht oder leben unterhalb der Armutsgrenze. Da ist natürlich jedes Kind eines zu viel. In Dortmund sind es 30,7 Prozent, in Köln 22,7 Prozent und in Leverkusen 21,7 Prozent. Auch der Anteil der Hartz-IV-Empfänger ist in Rhein-Berg mit 7,6 Prozent weit unter dem Landesdurchschnitt.

Per Definition ist jeder der weniger als 979 Euro im Monat netto zur Verfügung hat „arm“. Ist der Begriff „arm“ nicht irreführend? In anderen Ländern, auch innerhalb Europas, sind 979 Euro viel Geld.

Arm ist jemand nicht erst, wenn er kurz vor dem Verhungern steht. Arm bedeutet auch, vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt zu sein. Kinder, die nicht an Ausflügen teilnehmen können und die noch nie im Leben in Urlaub gefahren sind, sind in Deutschland arm. Es gibt auch immer mehr ältere Menschen, die von Armut betroffen sind und nur noch eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Die Zahl der älteren Menschen, die sich bei den Tafeln versorgen müssen, steigt. Auch in Bergisch Gladbach.

Im Armutsbericht ist von großen regionalen Unterschieden die Rede.

Das bezieht sich in erster Linie darauf, dass die Armutsquote in Norddeutschland höher als in Süddeutschland ist. Aber richtig ist auch, dass man mit derselben Summe im Monat im Oberbergischen besser leben kann als etwa in Bergisch Gladbach. Das liegt einfach an den Unterschieden in den Kosten für die Lebenshaltung.

Was ist für Sie die Kernaussage des Armutsberichts?

Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Denn es werden ja nicht nur die Armen ärmer, sondern die Reichen auch immer reicher. Da sehe ich ein riesiges gesellschaftliches Konfliktpotenzial.

Artikel URL: http://www.ksta.de/aus-dem-kreis/armutsbericht-2013-fuer-rhein-berg--arme-sind-vom-leben-abgekoppelt-,16363472,29925574.html

Bildquelle: Image by vitaliy-m from Pixabay

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