Soziale Ausgrenzung und Entwürdigung mit Hilfe der Tafeln?

Im Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers vom 13. April 2011 „Kleiderkammern und Tafeln – gut gemeint, aber nicht immer gut“ wird von negativen Aspekten der Tafeln berichtet, die einer Studie der Caritas NRW entnommen werden.

Es wird dort behauptet:

  1. Tafeln „tragen zur sozialen Ausgrenzung bei.“
  2. „Nutzer empfinden die Essens- und Kleiderausgabe als belastend.“
  3. Es entsteht das „vorherrschende Gefühl, nicht mehr zur Gesellschaft zu gehören“.
  4. Wer hingeht, „schaut in den Spiegel der Ausgrenzung“
  5. „Zu selten ist ein Dialog auf Augenhöhe“, „zu wenig wird mit den Menschen gesprochen.“
  6. Existenzsicherung ist „grundsätzlich Aufgabe des Staates“
    (Studie der Caritas NRW, Sprecher Heinz-Josef Kessmann)

Ähnliche Kritikpunkte sieht auch das Amt f. Diakonie des Ev. Kirchenverbandes Köln u. Region. So sagt die Geschäftsführerin Helga Blümel:

  1. Almosengabe kommt für die Empfänger oft einer „zweiten Entwürdigung gleich“.
  2. Initiativen dienen „oft vor allem den Helfern und nicht den Bedürftigen“.

Wir möchten diese Kritik für die Overather Tafel entschieden zurückweisen.

Was ist schon „immer gut“?

Nichts. Es kommt immer darauf an, wie eine Idee umgesetzt wird, und so ist es auch mit den Tafeln. Natürlich sind Tafeln, bei denen die bedürftigen Abholenden auf der Straße vor dem Ausgabe-Haus Schlange stehen, um dann vorgepackte einheitliche Lebensmittel-Pakete in Empfang zu nehmen, nicht gerade förderlich für das Selbstbewusstsein der Abholenden, sondern eher „entwürdigend“, wie Helga Blümel vom Amt für Diakonie sagt.

Sie sollte einmal zu unserer Overather Tafel kommen. Dort steht niemand vor der Tür und niemand vermisst den „Dialog auf Augenhöhe“. Man geht sofort in das große Café und wartet, nachdem man seinen Tafel-Ausweis gezeigt hat, bei Kaffee und Kuchen im Gespräch mit den ehrenamtlich Mitarbeitenden und anderen „Kunden“, bis man im Ausgaberaum seine Lebensmittel aussuchen und abholen kann. Es sind Freundschaften entstanden und es gibt Leute, die auch noch ins Café kommen, wenn sie Arbeit gefunden haben und nichts mehr brauchen, die einfach mit ihren alten Bekannten reden wollen.

Unsere Mitarbeitenden stehen zu Beratungen auf Augenhöhe bereit, häufig unterstützt von Caritas-Personal, das ihnen bekannte Bedürftige hinbringt oder auch nur zu Beratungen bereit steht. Über unser Bewerbungstraining haben schon einige Teilnehmer Stellen gefunden und viele wissen dank unseres Kochkurses, wie man Broccoli u.a. gesundheitsbewusst zubereitet (Foto: Kundinnen danken unserer Tafel nach 1 Jahr Bestehen).

Die ursprüngliche Tafel-Idee, noch gute, aber nicht verkaufte Lebensmittel Bedürftigen zukommen zu lassen, statt sie in Unmengen wegzuwerfen, wird von der ganzen Kritik gar nicht berührt. Es geht nicht darum, dass „Lebensmittelhändler ihre Produkte sinnvoll entsorgen“ können, sondern um eine menschlich sinnvolle Verwaltung unseres Wohlstandes, an dem viele unverschuldet nicht teilhaben können. Der Staat ist auch nicht für alles zuständig.

Natürlich macht allen Mitarbeitenden ihre Arbeit Freude und sie verstehen sie auch als Gewinn für sich selbst. Dass sie aber „vor allem den Helfern und nicht den Bedürftigen“ dient, wie im Artikel gesagt wird, ist wohl recht zynisch und gilt, wenn es für einzelne zutreffen sollte, für alle sozialen Institutionen einschließlich Caritas und Diakonie.

Dieter Matthias

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